HISTORISCHER KONTEXT

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IN FOLGE DER VÖLKERWANDERUNG

Die Sorben können auf eine etwa 1400 Jahre lang nachweisbare Geschichte zurückblicken. In der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts n. Chr. verließen ihre Vorfahren im Zuge der damaligen Völkerwanderung ihre Wohngebiete nördlich der Karpaten zwischen Oder und Dnepr und zogen über Schlesien und Böhmen nach Westen, wo sie im 6. Jahrhundert das Gebiet zwischen dem Oberlauf der Neiße in Nordböhmen und dem Flussgebiet der Saale mit dem sächsischen Vorland des Erzgebirges und dem Fläming besiedelten. Diese Gebiete waren seit der Abwanderung germanischer Völkerschaften im Zuge der Völkerwanderung nahezu unbewohnt, verbliebene germanische Restbevölkerung wurde assimiliert.

zuvoegelUtrechter Psalter, 820-830, Reims oder Abtei von Hautvilliers
 

FRANKEN UND SLAWEN - BÜNDNISSE UND STREIT

Das Siedlungsgebiet der Sorben grenzt an das Ostfrankenreich von Ludwig dem Deutschen. In der sogenannten Fredegar-Chronik werden für 631/32 Wenden und erstmals Sorben erwähnt, welche wiederholt plündernd in Thüringen und anderen Gauen des Frankenreiches einfielen: „Seither fielen die Wenden zu wiederholten Malen in Thüringen und anderen pagi des Frankenreiches ein, um sie auszuplündern; ja sogar Dervanus, der dux des Volkes des Sorben [lat. Dervanus dux gente Surbiorum], die von slawischer Herkunft waren und schon seit jeher zum Reiche der Franken gehört hatten, unterstellte sich mit seinem Volk dem Reiche Samos.“ Nach weiteren Überfällen durch die abtrünnigen Sorben wurde schließlich der in Thüringen herrschende Herzog Radulf mit einem bedeutenden Sieg 634/635 Herr der Lage und schloss 641 mit den benachbarten Slawenstämmen ein Bündnis auf der Basis der Gleichberechtigung. Die in den Quellen des Früh- und Hochmittelalters als „Sorben“ (lat. surbi, sorabi) bezeichneten westslawischen Stämme, Bewohner der Gebiete zwischen Saale und Mulde, gerieten im 8. und 9. Jahrhundert zunehmend in die Abhängigkeit des (ost)fränkischen Reiches und die Grenz- und Schutzzone Limes Sorabicus entstand in diesem Gebiet. Für das Jahr 806 ist belegt, dass ein König der Sorben namens Miliduch (oder Melito) getötet wurde, woraufhin sich andere Könige, zum Teil nach erbitterten Kämpfen, unterwarfen. Sie wurden zu Tributleistungen gezwungen, dem christlichen Glauben zugeführt und durch die mittelalterliche Deutsche Ostsiedlung assimiliert. Über die weiter östlich im Elbtal lebenden Daleminzier und die in den Lausitzen lebenden slawischen Stämme der Lusitzi (auch Lusici, Lusizer oder Lausitzer) und Milzener, deren Nachkommen heute den Namen „Sorben“ tragen, geben die fränkischen Geschichtsquellen nur spärlich Auskunft.

Über die vorchristliche Religion der Slawen zwischen Saale und Neiße ist wenig bekannt. Weder weiß man, ob es einen Priesterstand gab, noch haben die Archäologen in diesen Gebieten bisher ein Heiligtum von überregionaler Bedeutung entdecken können. Der mittelalterlichen Tradition nach wurden aber manche frühe christliche Kirchen an Stelle alter slawischer Heiligtümer errichtet, so zum Beispiel die Kirche auf dem Opferberg in Leipzig-Wahren. Bis zum Beginn des 10. Jahrhunderts befanden sich die sorbisch besiedelten Gebiete an der Saale nur in einem mehr oder weniger engen Abhängigkeitsverhältnis vom Frankenreich. Die Slawen im Gebiet des Limes Sorabicus mussten Tribute an die Franken entrichten. Zu einer intensiveren deutschsprachigen Besiedlung und Herrschaftsbildung kam es erst unter König Heinrich I.

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DIE UNTERWERFUNG

Nachdem Heinrich I. um 924–926 einen neunjährigen Waffenstillstand mit den Ungarn geschlossen hatte, nahm er die Ausdehnung seiner Macht an der Ostgrenze des Reiches in Angriff. 928/929 führte er einen groß angelegten erfolgreichen Feldzug zur Unterwerfung der slawischen Stämme östlich der Elbe (Obodriten, Wilzen, Heveller, Daleminzier und Redarier). Seinen Vormarsch sicherte der König durch die Anlage zahlreicher Burgen. Eine der wichtigsten Gründungen war 928/929 die Zwingburg in Meißen (an der Stelle der heutigen Albrechtsburg) gegen die besiegten Daleminzier, von wo aus er 932 die Milzener unterwarf. Durch weitere Siege 932 über die Lusizer – dabei wurde ihre Stammesburg Liubusua zerstört – sowie 934 gegen die Ukranen zwang er auch diese slawischen Stämme in die Tributpflicht.

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DIE BLUTTAT UND DIE ENDGÜLTIGE UNTERWERFUNG

Gero, der von Kaiser Otto I. 937 eingesetzte Markgraf der Sächsischen Ostmark (sie umfasste das gesamte Gebiet zwischen Elbe, Havel und Saale) führte die gewaltsame Unterwerfung der Sorben fort. 939 lud er 30 slawische Fürsten zu einem Gastmahl ein und ließ sie ermorden. Die Bluttat hatte einen Aufstand der Slawen zur Folge, denen sich auch Stämme nördlich der Ostmark anschlossen. In mehreren Kriegszügen von 954 bis zu Geros Tod 965 besiegten Kaiser Otto I. und Gero die nordwestslawischen Stämme sowie die Milzener und Lusitzi in der Lausitz, womit die deutsche Herrschaft bis an die Oder ausgedehnt und gefestigt wurde. Während die Slawen im heutigen nördlichen Brandenburg und Mecklenburg ihre Selbstständigkeit durch einen großen Aufstand 983 noch einmal für längere Zeit zurückgewinnen konnten, war die Unterwerfung der Sorben endgültig.

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NIEDERGANG, TRIBUT UND CHRISTIANISIERUNG

Die Herrschaft über die Lausitz und das Milzenerland mit der strategisch bedeutenden Burg Bautzen war allerdings noch von 1002 bis 1032 mit wechselseitigem Erfolg zwischen den Deutschen und dem Polenherzog Bolesław Chrobry umkämpft. Die Untersuchung von 25 sogenannten Ringwällen in der Niederlausitz konnte sehr gut eine Übereinstimmung der Hochzeit des Burgenbaus Anfang des 10. Jahrhunderts mit den Eroberungsaktivitäten von Otto I. zeigen. Die Bauaktivitäten enden um 960-970 und sind wahrscheinlich auf die Unterwerfung der Lausitz durch Gero 963 zurückzuführen.
Im 10. Jahrhundert begann die christliche Kirche bei den Slawen im Elbe-Saale-Gebiet und in der Lausitz mit der Missionierung. Die Befestigung der deutschen Herrschaft und die Schaffung kirchlicher Strukturen gingen dabei Hand in Hand. Kaiser Otto I. gründete 968 das Erzbistum Magdeburg mit den Suffragen Brandenburg, Havelberg, Zeitz, Merseburg und Meißen. Die Sorben, Milzener und Lusizer mussten dem Bischof von Meißen den Zehnten entrichten. Parallel erfolgte unter den Markgrafen der sorbisch besiedelten Gebiete – die große Mark Geros war nach seinem Tod in mehrere kleinere Territorien untergliedert worden (Nordmark, Mark Lausitz, Mark Meißen, Mark Zeitz und Mark Merseburg) – die Einrichtung von Burgwarden. Die unterworfenen Gebiete wurden an deutsche Adelige zu Lehen gegeben, die neuen Herren errichteten Burgen und erhielten Abgaben von den zugehörigen slawischen Dörfern. Zum Teil trat der deutsche Adel dabei nur die Nachfolge der sorbischen Stammesfürsten an. Die ehemalige slawische Führungsschicht war durch die vorangegangenen Kriege dezimiert und ihre Reste wurden in untergeordnete Stellungen abgedrängt. Die Masse der sorbischen bäuerlichen Bevölkerung waren mittlere Bodenbesitzer ohne erbliches Besitzrecht, sowie rechtlose verarmte Bauern oder Leibeigene. Sie mussten Abgaben an den Lehnsherren sowie Handdieste leisten, wozu noch der Zehnte für die Kirche kam. Die obere Schicht der Bauern bildeten die Dorfvorsteher (Župane oder Supane) sowie Kriegs- und Dienstleute.

DALEMINZI

Das Gau Daleminzi (pagus Daleminzi) genannte Siedlungsgebiet umfasste das Meißener Land und die Lommatzscher Pflege zwischen der Elbe und dem Raum um Döbeln und Mügeln, reichte aber auch auf die östliche Elbseite ins Großenhainer Land herüber. Nach Thietmar von Merseburg rührte der Name von den Deutschen her. Dabei wurde offensichtlich der historische Name „Dalmatien“ auf diese slawische Gruppe bzw. Region übertragen. Sie selbst nannten sich Glomaci (Glumaci) nach dem zentralen Heiligtum Glomuci, einem seit 1845 verlandeten Quellteich bei Lommatzsch bzw. Paltzschen. Erstmals werden die Daleminzier anlässlich eines Kriegszugs 805 gegen die Burg Canburg in Böhmen erwähnt, der Karl den Jüngeren, einen Sohn Karls des Großen, durch das Werinofeld/Warnenfeld (Hwerenofelda) und das Gebiet Demelchion führte. Hier kämpfte er gegen deren König Semela und besiegte diesen (Et ibi pugnaverunt contra regem eorum nomine Semela, et vicerunt eum). In der Beschreibung des Bayrischen Geographen aus der Mitte des 9. Jahrhunderts werden die Daleminzier (Talaminzi) als östliche Nachbarn der (damaligen) Sorben bezeichnet, die Zahl ihrer civitates (Siedlungseinheiten, Gefilde) – wohl schon mit einer zentralen Burganlage – wird mit 14 angegeben.

CHUTIZI

Der Gau Chutizi (auch Chuntizi, Gudici ...) war eine mittelalterliche Gaugrafschaft zwischen den Flüssen Saale und Mulde. In diesem Gau lag das 974 genannte Forstgebiet Miriquidi, das von Kaiser Otto II. dem Bistum Merseburg geschenkt wurde und lange Zeit irrtümlich als Erzgebirgswald gedeutet wurde. Der Gau lag im östlichen Teil der Mark Merseburg, zugehörig war ein breiter Landstreifen östlich der Mulde, der von Thietmar von Merseburg als chutizi orientalis bezeichnet wurde. Magdeborn wurde 969 als im Gau Chutizi liegend bezeichnet.

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